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15.7.2004 taz Themen des Tages 120 Zeilen,
MARTINA SCHWIKOWSKI/DOMINIC JOHNSON S. 4
Vier Millionen Menschen sind im Afrika südlich der Sahara bereits an Aids erkrankt - nur ein Bruchteil von ihnen wird derzeit medizinisch behandelt
von MARTINA SCHWIKOWSKI UND DOMINIC JOHNSON
Alle Bedingungen für eine erfolgreiche Aidsbekämpfung in Afrika sind gegeben. So lautet die Prognose im UN-Aids-Büro von Johannesburg. Doch die Realität sieht anders aus. Afrika hat 10 Prozent der Weltbevölkerung, aber zwei Drittel der HIV-Infizierten: 25 Millionen. Allein 2003 gab es in Afrika südlich der Sahara 3 Millionen Neuinfektionen und 2,2 Millionen Aidstote.
Je länger die Epidemie andauert, desto mehr Menschen sind nicht nur infiziert, sondern krank und auf Medikamente angewiesen. 4 Millionen Aidskranke, die Medikamente brauchen, zählte in ihrem Jahresbericht 2003 die Weltgesundheitsorganisation WHO in Afrika südlich der Sahara. 50.000 davon bekämen Medikamente - knapp über 1 Prozent. Das UN-Programm Accelerating Access Initiative (AAI), eine Partnerschaft von UNO und Pharmaindustrie, zählt anders: 150.000 von 3,9 Millionen auf dem Kontinent würden behandelt, hieß es auf einer Konferenz in Senegals Hauptstadt Dakar Ende März. Das wären aber auch nur 3 Prozent. In Lateinamerika sind es 84.
Für die verheerende Situation Afrikas gibt es keinen einfachen Grund. Die Zeiten, in denen die Pharmaindustrie ihre Aidsmedikamente nur zu Fantasiepreisen absetzte - 10.000 Dollar pro Patient und Jahr oder noch mehr -, sind vorbei. Unter der Drohung, massenweise aus Schwellenländern wie Brasilien und Indien billige Kopien von Markenmedikamenten einzuführen (so genannte Generika), haben Afrikas Regierungen die Preise gedrückt. Pharmakonzerne, Regierungen der Industrieländer, private Stiftungen, der Globale Fonds der UNO - sie alle haben Programme gestartet, um Medikamente zu einem Bruchteil des Ursprungspreises abzugeben. Ende August 2003 wurde schließlich auf der WTO-Tagung im mexikanischen Cancun vereinbart, dass Aidsgenerika von den bestehenden Patentschutzbestimmungen der WTO unter bestimmten Bedingungen ausgenommen werden.
Das sollte eigentlich den Durchbruch zu einer erschwinglichen Behandlung für alle in Afrika bedeuten. Zwischen Anfang 2002 und Anfang 2004 ist der Durchschnittspreis der antiretroviralen Aidsbehandlung in Afrika um 85 Prozent gesunken, auf rund 200 Dollar im Jahr. Am wichtigsten dabei sind Medikamente, die die HIV-Übertragung von Schwangeren auf ungeborene Kinder verhindern. Weltweit werden jährlich 700.000 Babys im Mutterleib oder beim Stillen angesteckt.
Billige Medikamente nützen aber wenig, wenn sie nicht bei den Bedürftigen ankommen. In vielen afrikanischen Ländern kommen nur wenige tausend Menschen in den Genuss billiger oder kostenloser Aidsbehandlung: 2.500 in Ruanda, 100 in Kongo-Brazzaville, 80 in Senegal. "Es fehlt an konstantem Druck der Regierungen, die vorhandenen Behandlungspläne umzusetzen", sagt Mark Stirling, UN-Aids-Direktor für das östliche und südliche Afrika, in Johannesburg. "Der politische Wille ist da, Geberländer zahlen mehr, und Erfahrungen zeigen, dass Medikamente und Behandlungen helfen."
Aber gerade in Ländern mit dem größten Aidsproblem brechen die ohnehin schlecht funktionierenden Gesundheitssysteme auch am schnellsten wieder zusammen. Die taz hat die Situation im südlichen Afrika untersucht - die am schlimmsten von Aids betroffene Region der Welt mit einer Infektionsrate von rund 17 Prozent der Erwachsenenbevölkerung (siehe unten). Sämtliche Festlandstaaten der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), der wichtigsten Partnerorganisation der EU in Afrika, sind überfordert.
15.7.2004 taz Themen des Tages 229 Zeilen, MARTINA SCHWIKOWSKI S. 4
Es fehlen in den Ländern oft nicht nur Gelder, sondern auch Strukturen und Personal
Südafrika: Südafrika hat die meisten HIV-Infizierten auf der Welt - etwa 5,3 Millionen Menschen, davon braucht rund eine halbe Million eine Behandlung. Erst vor sechs Monaten beschloss die Regierung nach jahrelangen Protesten, Aidskranken Medikamente zu verabreichen. "Noch vor zwei Jahren waren Anti-Aids-Medikamente wegen überhöhter Preise unerschwinglich", lobt UN-Aids-Mitarbeiter Richard Delate das neue Programm. "Jetzt sind Verhandlungen im Gange, Preise werden gesenkt." Doch die Umsetzung ist in Verzug: Bis 2004 sollen 53.000 Menschen mit Medikamenten behandelt werden - erst 10.000 sind es derzeit. In allen 53 Gesundheitsdistrikten sollte je eine Versorgungsstelle eingerichtet werden - zurzeit sind es 27. Ob dort kostenfreie Medikamente ausgegeben werden, bleibt unklar.
Präsident Thabo Mbeki schweigt zu Aids, obwohl daran täglich 600 Menschen im Lande sterben. Mehr Verantwortung zeigt Südafrikas Privatwirtschaft. Nach einer Untersuchung haben 92 Prozent der Großunternehmen Anti-Aids-Programme umgesetzt. Aber nur 13 Prozent haben darin Unterstützung für Pflege und Behandlung von Mitarbeitern vorgesehen, und ganze 6 Prozent verteilen Medikamente an kranke Arbeitnehmer.
Botswana: Jahrelang war Botswana an der Weltspitze, was den Anteil der mit HIV und Aids lebenden Bevölkerung angeht, Von den 1,6 Millionen Einwohnern sind derzeit 350.000 infiziert. Die Regierung hat Aids zur nationalen Krise erklärt. Botswana, dank seiner Diamantenförderung ein reiches Land, bietet heute allen Bürgern Gesundheitsversorgung gegen eine geringe Pauschale und stellt Finanzen sogar für Aidsmedikamente von Markenherstellern zur Verfügung. Die halbstaatliche Diamantenfirma Debswana versorgt ihre Angestellten ebenfalls mit Medikamenten. Dennoch sind von 110.000 Kranken, die in Botswana Medikamente brauchen, nur 16.000 in Behandlung, und das Ziel, bis 2005 etwa 55.000 Menschen mit Medikamenten zu behandeln, bleibt wohl unerreicht.
Namibia: 22 Prozent der 1,8 Millionen Namibier sind infiziert. Erst seit 2003 werden Medikamente kostenfrei in 7 der 35 Regierungskrankenhäuser ausgegeben. Rund 2.000 Menschen profitieren davon. "Namibia ist ein Land mit einem jährlichen Mittelklasse-Pro-Kopf-Einkommen von 1.830 US-Dollar, aber es gibt keine Umverteilung", sagt Salvator Niyonzima, UN-Aids-Koordinator in der Hauptstadt Windhuk. "Krankenschwestern gehen lieber nach England." Die Medikamentenpreise gelten als zu hoch. 2003 begannen namibische Geschäftsleute, die Behandlung für ihre Mitarbeiter selbst zu finanzieren.
Simbabwe: 2,3 Millionen Simbabwer sind infiziert. Erst in diesem Juni hielt die Regierung Mugabe ihre erste Aids-Konferenz ab und versprach rund 280 Millionen US-Dollar zum Medikamentenkauf. Derzeit kosten solche aus Indien eingeführten Mittel 155 US-Dollar pro Patient und Monat. Die Firma Varichem hat nun begonnen, einheimische Aidsmedikamente herzustellen - sie sollen etwa 30 Dollar kosten. Aber auch dies bleibt für die meisten unerschwinglich, weswegen es einen regen Schmuggel aus Nachbarländern gibt. Ein Pilotprogramm mit Unterstützung des Internationalen Roten Kreuzes zur kostenlosen Medikamentenverteilung erreicht lediglich 180 Menschen. "Das ist ein Anfang", sagt Nomtanda Jones vom Frauennetzwerk in der Hauptstadt Harare. "Doch viele Menschen fragen sich: Warum testen, wenn ich eh keine Hilfe erhalte?"
Swasiland: Mehr als 38 Prozent der Erwachsenen (220.000 Menschen) sind HIV-infiziert - das ist Weltrekord. Abgesehen von Nothilfeprogrammen hat die kleine Bergmonarchie keinerlei Aidspolitik. Alan Brody vom UN-Kinderhilfswerk Unicef erklärt: "Die Statistiken sind nur eine Vorausschau auf die Misere, die noch kommt."
Angola: Nach 27 Jahren Krieg und Isolation ist die Infektionsrate gering. Laut UNO tragen 240.000 Menschen den HI-Virus, nur 5,5 Prozent der Bevölkerung. "Doch Angola besitzt alle Voraussetzungen, dass die Epidemie in drei bis vier Jahren explodiert", sagt Dr. Alberto Stella, UN-Aids-Direktor in der angolanischen Hauptstadt Luanda. Trotz Angolas Ölreichtum liegt das Gesundheitswesen brach. Der Aidsbekämpfungshaushalt der Regierung beträgt 14 Millionen Dollar. Etwa 2.000 Menschen nehmen Aidsmedikamente in einem neu eröffneten Zentrum in der Hauptstadt Luanda.
Demokratische Republik Kongo: Nach Jahren des Krieges mit Millionen Toten gibt es über die Ausbreitung von Aids nur grobe Schätzungen. Vor dem Krieg wurde die HIV-Infektionsrate auf 4 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geschätzt - rund eine Million Menschen. Heute ergeben Untersuchungen in den Kriegsgebieten des Ostens Raten von bis zu 25 Prozent. Ein funktionierendes Gesundheitswesen hat das Land nicht mehr. Vor kurzem wurde aus der Stadt Lubumbashi an der Grenze zu Sambia bekannt, dass Antidepressiva und Abführmittel als angebliche Aidsmedikamente in Umlauf gebracht wurden. Im ostkongolesischen Bukavu entwickelt die deutsche Chemiefabrik Pharmakina, die seit der Kolonialzeit Malariamedikamente herstellt, billige Aidsmedikamente - wenn es klappt, ein Vorzeigeprojekt für Afrika.
Sambia: Etwa 1,3 Millionen Menschen leben mit dem Virus, 200.000 brauchen Medikamente. Die sind seit zwei Jahren in allen neun Provinzen erhältlich, allerdings erreichten sie nur etwa 4.000 Menschen. Unterstützung von Weltbank und UNO gewährleistet, dass die Medizin für etwa 10 Dollar pro Monat je Patient ausgegeben werden kann. Kostenfreie Medikamente gibt es in vier Kliniken der Hauptstadt Lusaka.
Malawi: Aidsmedikamente gibt es nur in einem Hilfsprojekt von Ärzte ohne Grenzen und in zwei staatlichen Krankenhäusern. Etwa 3.000 Menschen erhalten Therapien - 780.000 sind infiziert.
Lesotho: In dem kleinen Königreich ist erst ein Gesundheitszentrum zur Verteilung von Medikamenten eröffnet worden. 100 Millionen US-Dollar des Pharmaherstellers Bristol-Myers Squibb machten es möglich. Schätzungsweise 60 Prozent der Arbeitnehmerschaft des Landes sind HIV-infiziert.
Mosambik: Etwa 1,5 Millionen der 18 Millionen Menschen sind infiziert, und davon brauchen rund 120.000 Menschen Medikamente. Doch auch hier gibt es noch keinen Plan zur Vergabe von Aidsmedikamenten. Die Einzigen, die solche Medikamente derzeit verabreichen, sind die Hilfsorganisationen SantEgidio und Ärzte ohne Grenzen.
MARTINA SCHWIKOWSKI