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22.1.2009 taz Nr. 8791 Ausland 137 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 10
Rund 2.000 ruandische Soldaten marschieren im Ostkongo ein. Mit Billigung der Regierung in Kinshasa. Sie sollen die Macht der Hutu-Milizen brechen. Der Bevölkerung droht neue Katastrophe
AUS GOMA DOMINIC JOHNSON
Sie kommen lastwagenweise mit schweren Waffen, sie fahren grußlos an den kongolesischen Armeeposten vorbei, und sie beziehen Stellung tief im Busch. So beschreiben Augenzeugen den Einzug der Armee Ruandas im Osten der Demokratischen Republik Kongo, der seit Dienstag vonstatten geht. Rund 2.000 Soldaten aus Ruanda, zwei Bataillone, überquerten am frühen Morgen die ruandisch-kongolesische Grenze bei Kibumba, dort, wo nördlich der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma bisher die Frontlinie zwischen Kongos Regierungsarmee und den Tutsi-Rebellen der CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) verlief. Sie zogen in Richtung Norden, ins Rebellengebiet hinein. Offizielles Ziel: die Distrikthauptstadt Rutshuru, größte Stadt im Territorium der CNDP. Tatsächliches Ziel: die Vorbereitung einer Offensive gegen die ruandischen Hutu-Milizen der FDLR im Ostkongo, gemeinsam durchgeführt von Regierungseinheiten Ruandas und Kongos sowie den CNDP-Rebellen und kongolesischen Hutu-Gruppen.
"Wir haben die ruandische Armee offiziell eingeladen, sich an der Operation zu beteiligen", erklärte in Kongos Hauptstadt Kinshasa Informationsminister Lambert Mende. Es gehe darum, "die FDLR-Kämpfer freiwillig oder zwangsweise zu repatriieren oder sich zu vergewissern, dass sie Flüchtlingsstatus genießen, was ihnen das Recht verwehrt, Waffen zu tragen." Die Operation werde von Kongos Armee geleitet und solle 15 Tage dauern. In der Praxis fahren die kongolesischen Soldaten jetzt den ruandischen Einheiten hinterher, und diese lassen sich von den ortskundigen CNDP-Rebellen einweisen; von deren Seite heißt es, der Krieg gegen die FDLR könne vier Jahre dauern.
Die Rückkehr Ruandas in den Kongo entspricht einer Vereinbarung, die die Regierungen beider Länder vor einigen Wochen trafen. Demnach soll Ruanda dem Kongo militärische Unterstützung im Kampf gegen die FDLR leisten. Die FDLR, teils geführt von für den Völkermord in Ruanda von 1994 Verantwortlichen, kontrolliert große Gebiete Ostkongos und will von dort aus gegen Ruanda Krieg führen. Um dem Kongo die führende Rolle Ruandas im Kampf gegen die FDLR schmackhaft zu machen, bewog Ruanda die mit ihm verbündeten ostkongolesischen CNDP-Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda dazu, letzten Freitag die Einstellung ihres Kampfes zu verkünden. Der Krieg im Ostkongo war damit vorbei. "Jetzt schießen wir alle in die gleiche Regierung - auf die FDLR", erklärte ein CNDP-Offizieller der taz.
Einige zivilgesellschaftliche Gruppen im Ostkongo, die noch am Wochenende das Ende des Krieges im Ostkongo gefeiert hatten, protestieren jetzt und fordern Ruandas sofortigen Rückzug, wohl in Unkenntnis dessen, dass Ruandas Einmarsch und die Waffenruhe seitens der CNDP zwei Seiten der gleichen Entwicklung sind. Ruandas Armee stand bereits zwischen 1996 und 2002 im Ostkongo, damals noch als faktische Besatzungsmacht.
Die internationale Gemeinschaft ist ebenfalls außen vor. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) wurde erst am Montagabend von Ruanda über die bevorstehende Truppenentsendung informiert. Während die Ruander einrückten, riegelte Kongos Armee das Gebiet weiträumig ab und ließ nicht einmal UN-Blauhelme durch. Viele internationale Vertreter in Goma sind nun beleidigt und prophezeien das Schlimmste. Ein UN-Vertreter ließ sich mit der erstaunlichen Aussage zitieren, die Nichteinbeziehung der internationalen Gemeinschaft werde zu einer neuen humanitären Katastrophe im Ostkongo führen.
Anlass für solche Warnungen ebenso wie für Ruandas Militäraktion ist das Einrücken von Soldaten aus Uganda im Nordosten des Kongo Mitte Dezember, um dort die ugandische Rebellenbewegung LRA (Widerstandsarmee des Herrn) zu jagen. Der Feldzug zerstörte zwar die LRA-Infrastruktur, aber die LRA-Kämpfer rächen sich nun an der Zivilbevölkerung und haben bisher über 600 Zivilisten getötet und über 135.000 in die Flucht getrieben. Zu Ähnlichem könnte auch die FDLR fähig sein.