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9.10.2009 taz Nr. 9008 Ausland 127 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 11
Zehntausende Menschen sind einer Serie wechselseitiger Vertreibungen von Kongolesen aus Angola und Angolanern aus dem Kongo zum Opfer gefallen. Deportationen verlaufen wahllos und brutal
BERLIN taz | Es ist ein Flüchtlingsdrama wie im Krieg, aber es herrscht gar kein Krieg. An der angolanisch-kongolesischen Grenze bei Maquela de Zombo sammelten sich am Mittwoch über 1.000 aus dem Kongo vertriebene Angolaner, darunter komplette Familien mit Kleinkindern, die einen mehrtägigen Fußmarsch hinter sich hatten. "Über 15.000 angolanische Bürger sind noch unterwegs", warnte Provinzgouverneur Joao Baptista Mawete laut der angolanischen Nachrichtenagentur Angop. "Sie laufen 90 bis 100 Kilometer, um die Grenze zu erreichen."
Seit Wochenbeginn sind im Westen der Demokratischen Republik Kongo organisierte Vertreibungen von Angolanern im Gange. "Es kommen Bewaffnete zu dir nach Hause und sagen: ,Du musst jetzt weg' ", berichtet eine Augenzeugin in der Stadt Kimpese. "Sie sagen: ,Ihr dürft hier nicht mehr wohnen', und sie zwingen dich in ihrem Beisein, dein Hab und Gut aus dem Haus herauszuholen. Es gibt Sammelstellen, wo die Leute in Lastwagen abtransportiert werden." Ausgeführt werde dies von der Migrationsbehörde DGM.
Kongo rächt sich damit für Vertreibungen von Kongolesen aus Angola. In den letzten Jahren wurden hunderttausende Kongolesen, die ohne rechtlichen Status in den Diamantengebieten Angolas leben, unter teils massiver Gewalt von Angolas Armee verjagt - über 100.000 allein in der ersten Hälfte 2009. Im August begannen auch Vertreibungen aus den Ölgebieten im Nordwesten Angolas um die Ölstädte Soyo und Cabinda. 18.000 Menschen wurden nach UN-Angaben bis Anfang Oktober deportiert, begleitet von "inakzeptablen Leibesvisiten an Frauen, Gewalt gegen Schwangere, Plünderung von Eigentum, Inhaftierungen und Brutalität", sagte die humanitäre UN-Sprecherin Séverine Flores. Seitdem haben die Ausweisungen zugenommen: Am Mittwoch landeten im kongolesischen Moanda 4.000 Deportierte aus Soyo in Angola, von einem Ufer der Kongo-Flussmündung zum anderen.
In Moanda war es am Dienstag zu ersten Zusammenstößen zwischen wütenden Kongolesen und angolanischen Soldaten gekommen, die in der nahen Militärbasis Kitona Kongos Armee ausbilden. Die Angolaner schossen in die Luft, um die Menge auseinanderzutreiben. Im nahen Boma kam es ebenfalls zu Ausschreitungen gegen Angolaner, nachdem am Sonntag 5.000 deportierte Kongolesen aus Cabinda eingetroffen waren.
Während Angola regelmäßig Jagd auf illegal eingewanderte Kongolesen macht, betreffen die Deportationen von Angolanern aus dem Kongo entgegen offiziellen kongolesischen Bekundungen auch Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus. Schüler, die gerade ihr Schulgeld bezahlt haben; Kranke, die sich im Kongo medizinisch behandeln lassen; seit Jahrzehnten im Kongo ansässige angolanische Fachkräfte - sie alle sind nun unerwünscht.
Die Unterscheidung zwischen Angolanern und Kongolesen ist schwierig, denn im Norden Angolas, dem Westen der Demokratischen Republik Kongo und dem Süden Brazzavilles lebt die gleiche Volksgruppe der Bakongo, Nachkommen eines mächtigen vorkolonialen Königreichs. Viele Familien sind über mehrere Länder verstreut. Während des jahrzehntelangen Bürgerkrieges in Angola zogen viele Bakongo aus Nordangola nach Kongo und wurden dort als Flüchtlinge anerkannt. Heute sind die Kräfteverhältnisse umgekehrt: Angola hat zum Frieden gefunden und ist dank seines Ölreichtums eine Großmacht mit boomender Wirtschaft, während der viel größere Kongo in Instabilität und Elend verharrt. Angolas Ölindustrie und Bauboom ziehen viele arbeitsuchende Kongolesen an. Angolas Armee wiederum ist im Westkongo ständig präsent.
DOMINIC JOHNSON