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21.4.2015 taz Ausland 126 Zeilen SIMONE SCHLINDWEIN S. 13
Wilson Irategeka, ein politischer Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR, wurde in Tansania festgenommen. Eine Geste in Richtung Ruanda.
STUTTGART taz | Wieder einer weniger: Oberstleutnant Wilson Irategeka, zweiter Vizepräsident der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), wurde laut verschiedenen Quellen vergangene Woche in Tansania festgenommen.
Irategeka hatte vor zwei Monaten das Hauptquartier des politischen Flügels der FDLR in Bwero, in den Masisi-Bergen in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, verlassen. Per SMS hatte er damals erklärt, er benötige medizinische Behandlung im Krankenhaus der nahen Kleinstadt Mweso. Dort kam er nie an. Später hieß es aus FDLR-Kreisen, er sei desertiert und nach Tansania geflohen.
Tansania galt bislang als sicherer Hafen für die ruandischen Hutu-Rebellen, die vom Ostkongo aus seit 20 Jahren gegen Ruandas Regierung unter Präsident Paul Kagame Krieg führen und damit die Region destabilisieren. Als im Jahr 2012 Krieg im Ostkongo ausbrach, weil Rebellen der Tutsi-geführten M23 (Bewegung des 23. März) zu den Waffen griffen, hatte Tansanias Präsident Jakaya Kikwete seinen Amtskollegen Kagame aufgefordert, mit der FDLR zu verhandeln. In den Augen Kagames gelten FDLR-Mitglieder jedoch als Völkermörder, deren Anführer für den Tod von 800.000 Tutsi in Ruanda 1994 verantwortlich sind.
Schließlich schickte Tansania Kampftruppen unter UN-Flagge in den Kongo, die dort halfen, die ruandafreundliche M23 zu besiegen – aber sie weigerten sich, danach gegen die FDLR loszuschlagen.
Im Frühjahr 2013 wurde schon einmal ein hochrangiger FDLR-Führer in Tansania festgesetzt: der stellvertretende FDLR-Militärchef General Stanislas Bigaruka. Er hatte sich in Tansania aufgehalten – und verschwand plötzlich spurlos. Später mehrten sich die Angaben, er sei dort von Ruandas Geheimdienst in einer Spezialoperation gefangengenommen worden. Das verärgerte Tansania schwer.
Die Festnahme von Irategeka scheint jetzt ein Versuch Tansanias zu sein, die Beziehungen zu Ruanda wieder ins Lot zu bekommen. Erst vor zwei Wochen ernannte Tansania einen neuen Botschafter für Ruanda. Zuvor hatten sich Kagame und Kikwete bei einem Staatengipfel angenähert, auch um Infrastrukturprojekte voranzubringen – Tansania ist das wichtigste Transitland für Ruandas Außenhandel. Tansanias Botschafter Ali Idi Siwa erklärte: „Die beiden Staatschefs haben sich getroffen und die Wogen geglättet, wir beginnen einen neuen Weg und verbessern unsere Beziehungen.“
Irategeka wurde im November 2014 zum zweiten Vizepräsident der FDLR gewählt. Zuvor war er deren Vizegeneralsekretär. Er hatte sich innerhalb der FDLR-Führung für eine breite Koalition mit Hutu-Oppositionellen im Exil stark gemacht. Mehrfach war er im Jahr 2014 nach Tansania gereist, um dort ruandische Exilpolitiker zu treffen. Er hatte in der FDLR-Führung die Initiative der freiwilligen Entwaffnung vertreten: Damit könne das Kagame-Regime zu Verhandlungen gedrängt werden, so die Idee.
Über 300 FDLR-Kämpfer übergaben vergangenes Jahr ihre Waffen der UN-Mission im Kongo, aber eine Repatriierung lehnten sie ab und Kagame sah weiterhin keinen Gesprächsbedarf. FDLR-Übergangspräsident Victor Byiringiro zerstritt sich mit seinem Stellvertreter. Dieser bangte daraufhin wohl um sein Leben und machte sich davon.
Seine Festsetzung kommt kurz bevor das Oberlandesgericht in Stuttgart darüber entscheiden sollte, Irategeka als Zeugen zu laden. Die Verteidigung von FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, der seit fast vier Jahren in Deutschland wegen Anführung einer Terrororganisation vor Gericht steht, wollte Wilson Irategeka als Entlastungszeugen laden.
Am Montag lehnte der Senat in Stuttgart die Ladung ab. Möglich wäre sie sowieso nicht mehr gewesen.
SIMONE SCHLINDWEIN