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25.4.2015 taz Nr. 10698 Aktuelles 126 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 06 Kolumne
STADTGESPRÄCH AUS GOMA
MASSENVERGEWALTIGUNGEN IM OSTKONGO SIND OUT. DIE NEUE VERBRECHERMODE LAUTET: GEISELNAHME
Mehrmals war das Auto extra langsam an dem kleinen Mädchen vorbeigefahen. „Bist du die Tochter von General Bonane?“, wurde sie einmal durchs Fenster gefragt. Dass die Kleine verneinte, nützte ihr nichts. Irgendwann war sie verschwunden. Die Eltern erhielten sie später gegen Lösegeld zurück – vergewaltigt und traumatisiert. Wie sich herausstellte, sah das Mädchen tatsächlich der Tochter des Generals in der ostkongolesischen Stadt Bunia frappierend ähnlich.
Mysteriöse Fälle von Kidnapping häufen sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo, einer Region, die sich seit zwei Jahrzehnten im Bürgerkrieg befindet und wo mal Milizen und Rebellen, mal die Soldaten der Armee selbst Angst und Schrecken verbreiten. Früher terrorisierte man die Zivilbevölkerung durch barbarische sexuelle Gräueltaten an Frauen und Mädchen vor den Augen der Angehörigen. Nun gibt es eine neue Mode: Entführung mit Lösegeldforderung. Das ist viel lukrativer, und die Weltgemeinschaft interessiert sich nicht dafür.
25.000 US-Dollar lautete in der Provinzhauptstadt Goma die jüngste Lösegeldforderung für ein gekidnapptes Mädchen. Auf 5.000 wurden die Kidnapper schließlich heruntergehandelt. Das Mädchen kam unversehrt frei: Es stieg an einem belebten Platz aus einem Armeefahrzeug.
In Gefahr sind vor allem Kinder, egal welcher Herkunft. „Jedes Schulkind kann zu jedem Zeitpunkt am Schulausgang entführt werden, und man verlangt Geld von den Eltern“, erklärt ein Radiodirektor mit sieben Kindern in Goma. Es ist wie al-Qaida oder Boko Haram in der Sahelzone, außer dass die Entführer sich idelogischen und religiösen Quark dabei sparen: Kongolesen sind eben pragmatisch.
Draußen, auf dem Land, laufen Kleinbusse und Transporter schon immer Gefahr, überfallen zu werden. Wer dafür als verantwortlich gilt, das wechselt je nach politischer Großwetterlage. Derzeit wird jeder solche Angriff der ruandischen FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zugeschrieben: Die Hutu-Miliz FDLR ist momentan auf der Liste der zu eliminierenden bewaffneten Gruppen ganz oben, seit die Tutsi-Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) besiegt ist.
Aber als neulich in der Handelsstadt Bunagana mehrere hohe Persönlichkeiten in einem Hotel erschossen wurden, machte man mal wieder die M23 verantwortlich. Grund: Das Hotel gehörte einem Tutsi.
Wie sich herausgestellt hat, war der Übeltäter in Wirklichkeit der berüchtigte Großkriminelle Emmanuel Biriko, bekannt als Manoti, verantwortlich für unzählige Überfälle und Plünderungen. Manoti wurde jetzt geschnappt und kam in der Kleinstadt Rutshuru vor ein öffentlich tagendes Gericht.
Die neugierige Menge bekam einen ganz normal aussehenden 26-jährigen Holzfäller zu sehen, der gerne einmal General werden möchte und daher auf eigene Faust ausprobiert, was Generäle im Kongo eben so machen. Manotis Bande sei für viele Entführungen mit jeweils fünfstelligen Lösegeldforderungen verantwortlich, hieß es.
Ist die Zeit des Kidnappings mit Manotis Verhaftung vorbei? Am Donnerstag wurden auf einer Landstraße drei UN-Mitarbeiter entführt, zwei Kongolesen und ein Simbabwer. Der Tatort gilt als Hochburg der FDLR.
DOMINIC JOHNSON