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9.10.2015
Der Chef der afrikanischen Somalia-Truppe folgt dem Deutschen Martin Kobler an die Spitze der Blauhelme. Der beschwört das „Gespenst der Gewalt“.
BERLIN taz | Der Leiter der afrikanischen Eingreiftruppe in Somalia rückt an die Spitze der größten UN-Blauhelmmission der Welt. Wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am späten Donnerstag mitteilte, wird Maman Sidikou aus Niger Nachfolger des Deutschen Martin Kobler als Chef der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monusco). Kobler gibt seinen Posten Ende Oktober auf, nach etwas über zwei Jahren im Amt.
Sidikou hat eine vielfältige Vergangenheit, die sich im Kongo interessant auswirken könnte. Als Niger noch eine festgefügte Einparteiendiktatur war, arbeitete er im Staatsfernsehen und wurde einige Jahre lang dessen Direktor, allerdings zu einer Zeit, wo im ärmsten Land der Welt kaum jemand fernsah.
Unter dem Putschistenregime von Oberst Ibrahim Baré Mainassara, das Niger von 1996 bis zu Barés Ermordung durch einen weiteren Putsch 1999 regierte, stieg er zum Außenminister auf. Mit der Demokratisierung Nigers verließ Sidikou die Politik und wechselte zum UN-Kinderhilfswerk Unicef, für das er unter anderem als Landesdirektor in Ruanda 2010 und in der Demokratischen Republik Kongo 2010 bis 2011 arbeitete.
Bevor die Afrikanische Union (AU) ihn im Juli 2014 zu ihrem Somalia-Beauftragten und damit zum Leiter der AU-mandatierten Eingreiftruppe „Amisom“ berief, war er Nigers Botschafter in den USA gewesen.
Die Eingreiftruppe „Amisom“ in Somalia ist eine reine Kampftruppe. Ihre über 22.000 Soldaten, hauptsächlich aus Uganda, Burundi, Äthiopien und Kenia, kämpfen im Süden des Landes gegen die islamistische Terrorarmee al-Shabaab. Dieser seit 2007 währende Krieg hat auf beiden Seiten zahlreiche Tote gefordert und ist auch von Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begleitet gewesen.
Zwar haben die Eingeiftruppen die Hauptstadt Mogadischu und andere größere Städte von den Shabaab zurückerobert, aber in weiten Teilen Südsomalias sind die Islamisten nach wie vor stark und in den letzten Monaten befinden sie sich wieder auf dem Vormarsch und haben Amisom empfindliche Verluste zugefügt.
Ob das der angemessene Hintergrund für die Leitung einer eher als Friedenstruppe konzipierten Blauhelmmission ist, hängt von der Beurteilung der Lage im Kongo ab. Die rund 20.000 UN-Truppen dort sind seit Beginn ihrer Stationierung 2003immer mehr militärisch aktiv geworden.
Unter Kobler beteiligten sie sich erstmals an vorderster Front am Krieg von Regierungstruppen gegen Rebellen im Ostkongo. Eine Eingreifbrigade der Monusco trug Ende 2013 entscheidend zum Sieg gegen die Tutsi-geführte Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) bei.
Aber gegen andere Rebellen hat sich dieser Erfolg nicht wiederholt - auch weil Kongos Regierung sich nicht gefallen lassen will, dass Martin Kobler auf die Einhaltung von Menschenrechten durch die Armee pocht.
Zu seinem Abschied zog Kobler am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat eine eher düstere Bilanz der Lage im Kongo. „Unser Mandat ist noch nicht vollständig erfüllt“, sagte der Deutsche. „Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die geleisteten Fortschritte langfristig halten oder ob nicht das Gespenst der Gewalt sich erneut zu regen droht.“
Im Vorfeld der für 2016 geplanten Wahlen - deren saubere Realisierung in den Sternen steht, was zu zunehmenden Protesten führt - nähmen politische Spannungen und Menschenrechtsverletzungen stark zu. Kongos Regierung müsse „entschlossen und unverzüglich“ die offenen Fragen um die Wahlen 2016 klären, forderte Kobler. Das ungeklärte Schicksal der besiegten M23-Rebellen sei „eine Zeitbombe“, und das „Terrorregime“ der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Ostkongo müsse endlich beendet werden.
Für seinen Nachfolger Sidikou ist all dies keine einfache Hinterlassenschaft. Wenn er gegen die nunmehr international als Terrororganisation eingestufte FDLR-Miliz im Kongo dieselben Mittel anwendet wie in Somalia gegen die Shabaab, stehen die Zeichen im Ostkongo auf Sturm.
Sein Wechsel in den Kongo bedeutet übrigens keine Milderung des internationalen Antiterrorkurses in Somalia. Neuer Amisom-Chef wird der Mosambikaner Francisco Madeira. Er war bisher der AU-Terrorismusbeauftragte, zugleich AU-Beauftragter zum Kampf gegen die in mehreren Ländern versprengte ugandische Terrorgruppe LRA (Widerstandsarmee des Herrn) sowie Leiter des „Afrikanischen Terrorismusforschungszentrums“ in Algerien. Somalias Shabaab können sich auf bewegte Zeiten einstellen.