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22.12.2018, Simone Schlindwein
Die Wahl im Kongo wird noch einmal kurz verschoben. Das Regime kämpft mit allen Mitteln gegen die Oppositionskoalition Lamuka.
GOMA taz | Vor der großen Villa von Kongos First Lady Olive Lembe Kabila in Ostkongos Provinzhauptstadt Goma versammelt sich eine Menschenmenge: Frauen mit Babys im Tragetuch, Motorradtaxifahrer, Studenten. Ein Lastwagen mit scheppernden Lautsprechern auf der Ladefläche parkt am Straßenrand. Ein Wahlkampfsong für Emmanuel Shadary, den Präsidentschaftskandidaten der Regierung, hallt durch die Gassen des noblen Stadtviertels Himbi entlang des Kivusees.
„Wir warten auf unsere Mama“, sagt Daniel Muhindo. Der Student trägt eines jener blau-gelben T-Shirts der Regierungspartei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie), die vom Lkw herab verteilt werden. Olive Lembe, die Frau von Präsident Joseph Kabila, ist gebürtig aus einem Dorf nahe Goma. Hier steht ihre Villa, direkt am Seeufer: „Sie soll uns etwas geben, dann können wir versichern, dass die Stadt zu 100 Prozent Shadary wählt“, so Muhindo.
Die First Lady der Demokratischen Republik Kongo fungiert als Wahlkampfhelferin für Kabilas Wunschnachfolger Shadary, bislang ständiger Sekretär der PPRD. Als ehemaliger Innen- und Sicherheitsminister war er in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich für die gewaltsame Niederschlagung von Anti-Kabila-Protesten. Die Europäische Union verhängte daher im Jahr 2017 Sanktionen gegen ihn.
Im Vorfeld von Shadarys Wahlkampfauftritt im Fußballstadion in Goma hat Lembe Kabila bündelweise Geld verteilt, um Menschen anzulocken. Die Millionenstadt inmitten der Bürgerkriegsregion steht der Opposition nahe. Nur wenige Hundert junge Männer kamen ins Stadion, um Shadary zuzujubeln, die meisten wurden dafür bezahlt. Dass „Mama Olive“, wie sie oft genannt wird, Geld verteilt, hat sich in Goma jedoch rasch herumgesprochen. Im Laufe des Vormittags wird die Menschenmenge immer größer. Die Präsidentschaftsgarde muss anrücken, um das Haus zu sichern, ein UN-Hubschrauber kreist über Himbi, um die Lage zu beobachten.
Der Wahlkampf im Kongo ging in den vergangenen Tagen in die heiße Phase. Für das Regime, das seit 17 Jahren an der Macht ist, geht es jetzt um alles oder nichts. Denn Kabila selbst darf laut Verfassung nicht mehr antreten. Er hat hingegen seinen loyalen Parteigenossen ins Rennen geschickt und angekündigt, bei den nächsten Wahlen, voraussichtlich 2023, möglicherweise wieder anzutreten.
Der wenig charismatische Shadary gilt als Marionette. Im Wahlkampf hat sich immer mehr gezeigt: Die Oppositionskoalition Lamuka mit ihrem gemeinsamen Kandidaten Martin Fayulu hat offensichtlich die Nase vorne. In zahlreichen Städten des großen Landes zog er gewaltige Massen an. Sie trugen ihn auf einem mit rotem Stoff bezogenen Stuhl durch die Straßen, wie einen König. „Wir wollen keine T-Shirts und kein Geld, wir wollen Veränderung“, hatten ihm die Leute in Goma zugerufen.
Kabilas Machtapparat hat alles Mögliche versucht, um Fayulus Massenaufläufe zu verhindern. In Shadarys Heimatprovinz Maniema erhielt Fayulus Flugzeug keine Landeerlaubnis. Die Armee hatte die Landebahn mit Hubschraubern zugeparkt. In Lubumbashi, Heimatstadt von Oppositionsführer Moise Katumbi, der zu den Wahlen nicht zugelassen wurde und daher all sein Geld auf Fayulu setzte und ihm seinen Privatjet zur Verfügung stellte, wurden die Fans mit Tränengas und Kugeln beschossen. Sechs Tote gab es während des Wahlkampfs landesweit. Die UN-Mission im Kongo (Monusco) dokumentierte 43 Übergriffe gegen die Opposition vonseiten der Sicherheitsorgane.
Als Fayulu am Mittwoch in der Hauptstadt Kinshasa landete, verbot der dortige Gouverneur sämtliche Veranstaltungen. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt wurde sein Konvoi von Sicherheitskräften blockiert: „Wir standen von drei Uhr nachmittags bis zum späten Abend und kamen nicht vorwärts“, berichtet Fayulu der taz im Interview per Telefon. Als seine Anhänger angeströmt kamen, wurden sie mit Tränengas auseinandergetrieben. „Wir hatten so viele Schwierigkeiten“, sagt er.
Vor dem Gebäude der Wahlkommission (CENI) in Goma drängeln sich drei Tage vor dem angesetzten Wahltermin am 23. Dezember Hunderte Menschen. Sie haben ihre Wählerkarten verloren oder sie wurden gestohlen, nun verlangen sie eine neue. Doch die CENI-Mitarbeiter sind heillos überfordert. Im Lagerraum im Erdgeschoss türmen sich Pakete mit Wahlunterlagen und den umstrittenen Wahlmaschinen, die von der Opposition als Instrumente zur Wahlfälschung bezeichnet werden. Beni oder Butembo steht als Zielort auf den Kartons. Rund um diese Städte 300 Kilometer nördlich grassiert das tödliche Ebolavirus, Milizen attackieren die Bevölkerung, Kongos Armee und UN-Blauhelme führen Militäroperationen durch.
Viele Kongolesen hegen berechtigte Zweifel, dass die Wahlen stattfinden können. Letzte Woche brannte das von Soldaten der Präsidentengarde bewachte CENI-Zentrallager in Kinshasa ab, 8.000 Wahlmaschinen verkohlten. Wie es zum Feuer kam, ist unklar. Ein Teil der Wahlunterlagen befindet sich noch immer in Südafrika, wo sie gedruckt wurden.
Die Monusco hat zu Beginn der Woche der Regierung erneut angeboten, mit Flugzeugen bei der Logistik zu helfen wie bereits bei den Wahlen zuvor 2011. Doch CENI winkte ab. Man wolle keine Einmischung von internationaler Seite. EU-Wahlbeobachter wurden nicht eingeladen. Stattdessen kam es zu Protesten vor dem „Schengenhaus“, der belgischen Botschaft in der Hauptstadt, gegen die EU-Sanktionen.
Zuletzt war es die Armee, die mit ihren Frachtmaschinen und Lkws die Wahlmaterialien verteilte. Doch in den vergangenen Tagen transportierten die Antonows vermehrt Soldaten: Über 5.000 Mann zusätzliche Truppen wurden in der Hauptstadt zusammengezogen.
Am Mittwoch sickerten erste Gerüchte über eine mögliche Wahlverschiebung durch. Am Donnerstag berief CENI-Chef Corneille Nangaa eine Pressekonferenz ein. An der Universität Kinshasa protestierten sofort Studenten. „Wir lehnen eine Wahlverschiebung kategorisch ab“, erklärt Fayulu am Telefon. Die „Volksabstimmung“ der vergangenen Woche habe ihn bereits zum Sieger erklärt: „Die Strategie Kabilas ist nicht aufgegangen.“
Erst nach Einbruch der Dunkelheit trat Nangaa vor die Kameras: Die Wahlen würden um mindestens eine Woche verschoben, verkündete er, denn CENI sei wegen der zerstörten Wahlmaschinen nicht in der Lage, die Abstimmung termingerecht durchzuführen, Ebola und Unsicherheit verhinderten die Wahl in gewissen Regionen. Nachfragen ließ er nicht zu. Indes ballten sich über Goma Gewitterwolken. Statt zu demonstrieren, liefen die Menschen resigniert im Regen nach Hause.