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Man kann es nicht oft genug erwähnen, dass es aus historischen und aus Gründen der Vergangenheitsbewältigung notwendig ist, die „Berliner-Kongo-Konferenz“ bzw. „Berliner Afrika-Konferenz“ und ihre Folgen auf die Entwicklung des afrikanischen Kontinents, sowohl in der kolonialen als auch in der postkolonialen Zeit, zu thematisieren.
Bei meinen vielen Besuchen in den Schulen in Berlin, wo ich oft eingeladen werde, um über Afrika zu referieren, habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Schüler nicht über die entscheidende Rolle informiert sind, die das deutsche Reich durch den Reichskanzler, Otto von Bismarck, bei der Vorbereitung dieser Konferenz und ihrer Durchführung gespielt hatte. Der Grund hierfür ist einfach und eindeutig: Das Thema „Berliner Afrika-Konferenz“ sowie der afrikanische Kontinent zählen nicht zu den Curricula, ich meine zu den Lehrstoffen in den Schulen, oder werden nur sporadisch behandelt.
Was wissen die deutschen Erwachsenen über diesen Teil der deutschen Geschichte überhaupt? Ich habe festgestellt, dass auch bei vielen Erwachsenen kein Wissen auf diesem Gebiet vorhanden ist. Aber darüber möchte ich eigentlich heute nicht sprechen.
In der Zeit zwischen dem 15. November 1884 und dem 26. Februar 1885 fand in Berlin auf Einladung der Regierungen des Deutschen Reiches und der Französischen Republik ein Treffen statt, an dem neben den USA und dem Osmanischen Reich weitere 10 europäische Staaten[1] teilnahmen.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle der britische Botschafter, Sir Edward Malet, der in seiner Eröffnungsrede bei der Berliner Kongo-Konferenz gesagt hatte: "Ich kann nicht darüber hinwegsehen, dass in unserem Kreis keine Eingeborenen vertreten sind, und dass die Beschlüsse der Konferenz dennoch von größter Wichtigkeit für sie sein werden". Der gleichen Meinung waren auch britische und US-amerikanische Kommentatoren, die ihre Empörung über die Abwesenheit afrikanischer Vertreter zum Ausdruck brachten. Abwesenheit, die auf die durch Bismarck aufgestellten Prinzipien „Terra nullius“, also Niemandsland, zurückgeht, um den afrikanischen Kontinent zu definieren und „seine Bewohner folglich zu Objekten des internationalen Rechts herabzusetzen“.
Das französische Historikerehepaar, Marianne und Robert Cornevin, meint in diesem Zusammenhang: Die Teilnehmer an der Berliner Kongo-Konferenz "bestätigten stillschweigend, dass 'Macht vor Recht' geht".[2]
Dies ist auch die Meinung von Christian Kopp[3], dessen Aussage ich hier aus dem Gedächtnis zitiere. Er schreibt, dass die afrikanische Bevölkerung durch die Berliner Afrika-Konferenz vollständig entrechtet wurde. Er spricht in diesem Zusammenhang auch „von dem zynischen Aufruf der versammelten Großmächte: die Eingeborenen zu unterrichten und ihnen die Vorteile der Zivilisation verständlich und Werth zu machen“.
Warum auf Einladung des deutschen Reiches und Frankreichs? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir in die Zeit zurückgehen, ich meine um den Beginn der 1880er Jahre, die Zeit, in der der Expansionismus der Großmächte – verharmlosend „Schramble for Africa“ („Wettlauf um Afrika“) genannt -, seinen Höhepunkt erreicht hatte.
Die Annexion Ägyptens durch Großbritannien (1882) folgte unmittelbar dem Anspruch Frankreichs auf zentralafrikanische Gebiete am Nordufer des Kongo (1881). Im Januar 1884 wurde durch den belgischen König, Leopold II., der „Kongo-Freistaat“ proklamiert, der Freihandel und Neutralität versprach. Zeitgleich war die Rede vom Vertrag zwischen Portugal und Großbritannien über die Anerkennung portugiesischer Herrschaftsansprüche im Gebiete der Kongomündung. Hinzu kamen die Interessen Deutschlands, das noch keine Kolonie besaß, für die Küsten Westafrikas.
Der Frage des Reichskanzlers, Otto von Bismarck, bezüglich des durch den Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz[4] „erworbenen“ Gebietes in Südwestafrika („Angra Pequena)[5] setzte die britische Regierung eine scharfe und ablehnende Replik entgegen: „obwohl die Regierung ihrer Majestät nicht den Anspruch auf Souveränität im gesamten Landesgebiet erhebe (...), sie es doch als Verletzung ihrer legitimen Rechte betrachten würde, wenn eine andere Nation die Souveränität oder Gerichtshoheit über das Gebiet zwischen dem südlichsten Punkt des portugiesischen Herrschaftsgebietes (...) und der Grenze der Kapkolonie beanspruchte“.
Im Gegenzug lehnte Bismarck ab, „Großbritannien die Vorherrschaft auch über die noch nicht formal annektierten Gebiete zuzugestehen, und schickte Gustav Nachtigal[6] in geheimer Mission nach Westafrika“, wo er das Küstengebiet unter den „Schutz“ des Reiches (April 1884) stellte. Im Juli 1884 erhob Deutschland, nachdem Nachtigal mit Königen Mlapa, Akwa und Bell „Verträge“ unterzeichnet hatte, offizielle Ansprüche an den Küsten von Togo und Kamerun.
Für den Reichskanzler, Otto von Bismarck, ging es vor allem um die „Annekennung des neuen deutschen Kolonialbesitzes durch die anderen europäischen Staaten“ und die „Durchsetzung der durch sein Land entworfenen Regelungen“, die „eine effektive Besetzung“[7] beanspruchter Gebiete zur Bedingung für die internationale Annektierung machten. Zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich gab es eine Einigung. Während von Bismarck Frankreich beruhigte, dass das Deutsche Reich seine kolonialen Besetzungen nicht ausdehnen wollte, erklärte der französische Präsident, dass sich die deutsch-französischen Grenzziehungsverhandlungen in Togo und Kamerun problemlos gestalten würden.
Großbritannien versuchte, durch Unterstützung portugiesischer Ansprüche auf die Kontrolle der Kongo-Mündung, den zwischen Leopold II. und dem französischen Staatspräsidenten, Jules Ferry, hinsichtlich der zwischen H. M. Stanley[8] und P. S. de Brazza[9] strittig gebliebenen Gebiete erzielten Kompromiss zu unterlaufen.
Zu diesem Kompromiss zählte auch das zwischen Belgien und Frankreich unterzeichnete Abkommen über das „Vorverkaufsrecht“ („droit de préemption“), das später durch die Berliner Afrika-Konferenz bestätigt wurde und Frankreich das Recht einräumte, Kongo zu übernehmen, falls Leopold II. bzw. Belgien die Kontrolle über Kongo abgeben würde. Während der Kongo-Krise in 1960 hatte der damalige französische Außenminister, Maurice Couve de Murville, (1907-1999) an das „Vorverkaufsrecht“ erinnert.
Vor diesem Hintergrund wurde, auf Wunsch des belgischen Königs und Frankreichs, durch Bismarck die „Berliner Afrika-Konferenz“ im Reichskanzlerpalast in der Berliner Wilhelmstraße am 15. November 1884 eröffnet, Afrika Kongo-Konferenz, deren Schwerpunkt in der Behandlung der zwischen den Kolonialmächten u.a. in Bezug auf das Kongo-Becken entstandenen Konflikte bestand und bei der sich die teilnehmenden Mächte auf die Errichtung kontinuierlich arbeitender Ausschüsse einigten. Ausschüsse, deren Ergebnisse auf regelmäßigen Konferenzsitzungen besprochen werden sollten.
Die am 26. Februar 1886 verabschiedete General-Akte[10] der Berliner Afrika-Konferenz regelte in 38 Artikeln folgende Punkte[11]:
Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Berliner Kongo-Konferenz die willkürliche Aufteilung Afrikas zur Folge hatte. In der Tat aber war sie weniger und mehr als dies. Ich sage weniger deshalb, weil sie sich darauf beschränkte, die "erreichten Rechte", besonders an den Küsten, zu registrieren und die Spielregeln für die noch durchzuführende Kolonisierung festzulegen. Dies ist auch die Meinung von Dominic Johnson, wenn er schreibt: „Nicht in erster Linie wurden Grenzen in Berlin abgesteckt, sondern die Prinzipien der gegenseitigen Anerkennung von Hoheitsrechten für afrikanisches Gebiet zwischen europäischen Mächten“[12].
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Portugiesen an den Küsten Angolas und Mosambiks schon im 16. Jahrhundert festgesetzt hatten. Holländische Siedler okkupierten die Kapgegend Südafrikas im 17. Jahrhundert. 1861 eroberte Großbritannien Lagos (Nigeria).[13]
Ich sage mehr deshalb, weil sie den Anfang der eigentlichen Kolonisierung darstellte. Von da an gab es keine kostspieligen Sklavenrazzien, keine unkoordinierten Besetzungen mehr, sondern nur durchdachte und gut organisierte Ausplünderung. Die Ausbeutung war nicht mehr sporadisch, sondern durch die Enteignung der autochthonen Bevölkerungen systematisch und permanent.
Stellvertretend für viele wäre an dieser Stelle das kongolesische Volk zu nennen, das unter den schlimmsten Folgen der Berliner Afrika-Konferenz in seinem Land zu leiden hatte, „...wo König Leopold II. ein skrupellos profitorientiertes Regime“ installiert hatte. Man spricht in diesem Zusammenhang von zehn Millionen Opfern innerhalb von wenigen Jahren.
Dass die oben erwähnte Erkenntnis des Leiters der britischen Delegation folgenlos blieb, braucht nicht besonders wiederholt zu werden. Aber er hatte Recht: Die Folgen der Berliner Kongo-Konferenz sind noch über 100 Jahre später spürbar. Es wird über Afrika ohne Afrikaner weiter entschieden. Was andere Regionen anbetrifft, werden Entscheidungen im Rahmen gerechter Verhandlungen - ich meine auf gleicher Augenhöhe -, mit deren Eliten getroffen.
Nach wie vor hält eine internationale Arbeitsteilung Afrika in wissenschaftlicher und technologischer Abhängigkeit. Der Norden, speziell Europa, beansprucht das Monopol auf wissenschaftliche Theorie und den wissenschaftlichen Fortschritt, und Afrikaner sollen die Ergebnisse dann mehr oder weniger geschickt umsetzen. Diese Arbeitsteilung ist Afrika aber - wie das Beispiel der DR Kongo genügend belegt, ich meine, die Verfassung des Kongo aus dem Jahre 2005 wurde an der belgischen Universität von Lüttich geschrieben, obwohl der Kongo durchaus über international anerkannte Verfassungsrechtler verfügt -, nicht von außen aufgezwungen. Sie wird von Afrikanern selbst getragen.
"Solange die Tiere nicht ihre eigenen Erzähler haben, werden Geschichten von der Jagd immer den Jäger preisen", lautet ein afrikanisches Sprichwort. In Afrika wird bis heute der Jäger gepriesen. Dabei hat Afrika seine eigenen Helden, in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Insofern ist es für Afrika dringend geboten, endlich die eigene Geschichte selbst zu interpretieren, statt sich stets auf Auslegungen Anderer zu verlassen.
Der ermordete burundische Priester Michel Kayoya hat die afrikanische Sicht der Berliner Kongo-Konferenz auf den Punkt gebracht: "In Berlin hatte man sich im Jahre 1885 unseren Kontinent aufgeteilt. (...) Der Vertrag von Berlin hat mich lange gekränkt. (...) Einer, der dir gleich ist, mischt sich in deine Angelegenheiten ein, ohne dich zu fragen. Das ist eine grobe Unhöflichkeit, die jedes empfindsame Herz verwundet".
[1] Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Spanien und Schweden-Norwegen.
[2] Cornevin, M. und R.: Geschichte Afrikas - deutsche Übersetzung. Stuttgart 1966.
[3] Christian Kopp: a.a.O., Seite 4.
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_L%C3%BCderitz
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCderitzbucht
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Nachtigal
[7] Christian Kopp: Das Schlüsselereignis des modernen Kolonialismus. Vorgeschichte, Ziel, Verlauf und Folgen der Berliner Afrika-Konferenz, 3-5, in: Der Kolonialismus und seine Folgen. 25 Jahre nach der Berliner Afrika-Konferenz, Inkota-Dossier 5, Berlin, September 2009
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Morton_Stanley
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Savorgnan_de_Brazza
[10] http://mjp.univ-perp.fr/traites/1885berlin.htm
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Kongokonferenz
[12] Dominic Johnson: Das heimliche Erbe. Wie die Berliner Afrika-Konferenz sich bis heute auf die afrikanische Politik auswirkt, 5-8, in: Das Schlüsselereignis des modernen Kolonialismus. Vorgeschichte, Ziel, Verlauf und Folgen der Berliner Afrika-Konferenz, in: Der Kolonialismus und seine Folgen. 25 Jahre nach der Berliner Afrika-Konferenz, Inkota-Dossier 5, Berlin, September 2009
[13] Vgl. Christian Kopp: a.a.O., Seite 3.