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23.4.2008 taz Nr. 8562 Themen des Tages 152 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 3
Der Mann lebt unbehelligt in Deutschland. Ignace Murwanashyaka ist Präsident der FDLR, der Organisation der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Milizen. Sie steht unter UN- und EU-Sanktionen. Über die Versuche in Deutschland, ihn loszuwerden, zeigt er sich eher amüsiert
Die Bundesregierung lässt zu, dass die als Terrororganisation verfolgte ruandische Miliz FDLR von Deutschland aus geführt wird. "Ich habe gewonnen", sagt ihr Präsident
VON DOMINIC JOHNSON
Militärische Ehren, Empfang durch den Bundespräsidenten, Gespräche mit Wirtschaftsvertretern markieren den Deutschlandbesuch von Ruandas Präsident Paul Kagame, der gestern begann und bis Freitag andauern soll. Ruanda, einst Inbegriff für Massaker, sieht sich heute als Land des ökonomischen Fortschritts, das sich rasant von seiner düsteren Vergangenheit löst.
Mit Deutschland besucht Kagame ein Land, in dem das Umfeld der Täter des Völkermords von 1994 geduldet wird. Ignace Murwanashyaka, Präsident der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), lebt trotz internationaler Sanktionen als freier Mann in Deutschland. Erst gestern kritisierte er in einem "Offenen Brief" an Bundespräsident Köhler die Einladung des "Faschisten" Kagame, der "das Volk seines Landes und das der Nachbarländer ausgerottet" habe.
In der Führung der FDLR, die 2000 im Kongo als Organisation ruandischer Hutu-Exilkämpfer entstand, sitzen nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation African Rights zahlreiche führende Täter des ruandischen Völkermordes von 1994. Murwanashyaka, sagt der führende internationale Experte für die FDLR, Hans Romkema, "ist der Präsident einer terroristischen Organisation, die im Kongo und in Ruanda zahlreiche dokumentierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat".
Die FDLR steht auf der Terrorliste des US-Außenministeriums. Murwanashyaka sowie sein ebenfalls in Deutschland lebender Stellvertreter Straton Musoni sind seit 2005 mit Reise- und Finanzsanktionen des UN-Sicherheitsrats belegt, die auch von der EU übernommen wurden.
"Als Mandela im Gefängnis war, hat der ANC weiter Aktivitäten durchgeführt", minimiert Murwanashyaka gegenüber der taz die Sanktionen. "Sie würden Wirkung haben, wenn die FDLR von mir gegründet worden wäre." Er sei ja "nur der Präsident".
Bis 2006 genoss Murwanashyaka in Deutschland politisches Asyl. Er war an Ruandas Völkermord nicht beteiligt, sondern lebte als Student in Deutschland; inzwischen hat er mit einer Deutschen eine Familie gegründet. Im April 2006 wurde er in Mannheim festgenommen, als er von seiner bislang letzten Kongo-Reise zurückkehrte. Er landete in Abschiebehaft, sein Asyl- und Aufenthaltsstatus wurde ihm entzogen. Die Bundesanwaltschaft erklärte am 26. Mai 2006, sie habe gegen Murwanashyaka ein Ermittlungsverfahren unter dem "Anfangsverdacht wegen Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo" eingeleitet - das erste und einzige Verfahren unter dem Völkerstrafgesetzbuch, das der deutschen Justiz die Verfolgung von Kriegsverbrechen weltweit ermöglicht.
Doch Murwanashyaka hat all dies überstanden. Was den Entzugs seiner Aufenthaltserlaubnis angeht, sagt er der taz: "Ich habe den Prozess gewonnen, die Regierung hat Berufung eingelegt. Bis heute, nach dreizehn Monaten, hat das Gericht nicht entschieden, ob es die Berufung annimmt." Zu den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft sagt er: "Welche Vorwürfe könnte man mir machen? Seit über einem Jahr ist das Verfahren eingestellt. Ich habe im Juli 2007 einen Brief gekriegt, wo das drinsteht." Der Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigte gestern die Einstellung des Verfahrens.
Beamte, die mit dem Fall vertraut sind, kritisieren Deutschlands Haltung - und keiner von ihnen will namentlich zitiert werden. "Man hat immer gesagt: Der hat doch Familie hier", sagt einer. Ein anderer sagt, die Anwesenheit des FDLR-Chefs sehe er persönlich "als großes Problem", aber "ich werde belehrt, dass sich das aus deutscher Perspektive anders darstellt". Und: "Er steht unter der Auflage, sich politisch nicht zu bestätigen. Da wäre mal eine Ordnungsstrafe fällig."
Frankreich, während des Völkermords in Ruanda engster Verbündeter des verantwortlichen Regimes, hat inzwischen weniger Bedenken als Deutschland. Gegen FDLR-Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana, der in Paris lebt, wurde am 1. April dieses Jahres ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine deutsche Parlamentariergruppe, die vergangene Woche den Kongo bereiste, musste sich daher von einem UN-Verantwortlichen über den Umgang mit Kriegsverbrechern belehren lassen. Sie erwägen nun parlamentarische Initiativen. "Die UN-Beschlüsse, was die Finanzströme und politische Unterstützung für solche Gruppen angeht, müssen wirksam umgesetzt werden", sagt Winfried Nachtwei von den Grünen, der an der Reise beteiligt war.
23.4.2008 taz Nr. 8562 Themen des Tages 75 Zeilen, D.J. S. 3
Der Völkermord:
Ruanda ist ein jahrhundertealtes Königreich mit einer vorkolonialen Monarchie einer Tutsi-Viehzüchterelite. Das Land wurde nach der Unabhängigkeit 1962 von einer Regierung der Hutu-Bauernbevölkerungsmehrheit regiert, die zahlreiche Tutsi aus dem Land vertrieb oder tötete. Nachdem 1990 eine Tutsi-Rebellenbewegung den bewaffneten Kampf gegen Ruandas Regierung aufnahm, wurde 1993 eine Demokratisierung sowie eine Machtteilung mit den Tutsi vereinbart. Um das zu verhindern, übernahmen im April 1994 radikale Hutu-Politiker und -Militärs die Macht und versuchten, Ruandas Tutsi komplett auszurotten. Über 800.000 Menschen wurden bei brutalen Massakern durch Armee und Milizen getötet, bevor im Juli 1994 die Tutsi-Rebellen der "Ruandischen Patriotischen Front" (RPF) die Hutu-Regierung stürzten und mit ihrer Armee in den benachbarten Kongo trieben. Die RPF regiert Ruanda bis heute unter Präsident Paul Kagame und setzt sich zum Ziel, den alten Hutu-Tutsi-Gegensatz in Ruanda durch schnelle ökonomische Modernisierung zu überwinden.
Was ist die FDLR?
Die "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR) definieren sich selbst als "eine politisch-militärische Bewegung zur Befreiung des ruandischen Volkes". Sie entstand im Jahr 2000 und 2001 bei Treffen in Kongo und Deutschland als Organisation der in den Kongo und andere Länder geflohenen Täter des Völkermordes. Diese hatten sich in Kongo nach 1994 zunächst in Flüchtlingslagern niedergelassen und ab 1996, als Ruanda militärisch gegen sie im Kongo vorging, in die Armeen der wechselnden Regierungen des Kongo eingegliedert. Im Rahmen des Friedensschlusses zwischen den Regierungen Kongos und Ruanda 2002 sagte Kongos Regierung zu, die FDLR nicht mehr zu unterstützen. Seitdem stehen ihre Kämpfer als hochgerüstete Milizen im Osten des Kongo.
Der Besuch:
Ruandas Präsident Paul Kagame landete gestern in Berlin zu einem viertägigen Deutschlandbesuch, bei dem er Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Minister für Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit treffen wird. D.J.