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5.12.2011 taz Nr. 9667 Ausland 126 Zeilen, SIMONE SCHLINDWEIN S. 10
Vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Dienstag rüstet sich die 10-Millionen-Metropole für eine blutige Konfrontation zwischen Staatsmacht und Volk
AUS KINSHASA SIMONE SCHLINDWEIN
Gepanzerte Polizeifahrzeuge mit Maschinengewehren auf dem Dach patrouillieren auf den Straßen. Die sonst so belebten Gassen von Kinshasa wirken nach Einbruch der Dunkelheit wie ausgestorben. Am Hafen sammeln sich Frauen mit Kindern, um die Fähre über den Kongo-Fluss nach Brazzaville, die gegenüberliegende Haupstadt der Republik Kongo, zu erwischen. Ausländer, die in Kinshasa ausharren, decken sich mit Vorräten ein. Supermärkte und Banken bleiben geschlossen. Die Regierung hat alle SMS-Dienste abschalten lassen.
Die Stimmung ist gruselig, als warte die ganze Stadt auf einen Orkan. Lokale Menschenrechtler melden, Regierung und Opposition hätten Macheten in den Slums verteilt. Anwohner eines Hafens außerhalb der Hauptstadt berichten, dass nachts Boote mit Soldaten der Präsidentengarde aus anderen Landesteilen anlegen, um die Truppen in Kinshasa zu verstärken.
Spätestens am Dienstag sollen die vorläufigen Endergebnisse der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Montag verkündet werden. Und bereits im Vorfeld gibt es schlechte Stimmung. Am Freitag hatte die Wahlkommission CENI begonnen, erste Teilergebnisse zu veröffentlichen. Im Stakkato rasselt CENI-Chef Daniel Ngoy Mulunda seither jeden Nachmittag in einem unfertigen Konferenzsaal Zahlen herunter, während Bauarbeiter im Hintergrund eifrig werkeln, um den Saal für den großen Auftritt am Dienstag fertigzustellen.
Die CENI-Auswertung von einem Drittel der über 60.000 Wahllokale landesweit zeigt: Kabila liegt mit 50 Prozent vorne. Die meisten Stimmen erhielt er in der Südprovinz Katanga. Kabilas größter Herausforderer Tshisekedi erreicht demnach bislang 34 Prozent. Sein Anteil wird wohl noch steigen: Die Auswertungszentren in Kinshasa, Hochburg der Opposition, hinken wegen Desorganisation hinterher.
Die Opposition ist empört. Am Samstagabend kündigt sie eine Pressekonferenz an. In geschlossener Front sitzen Vertreter von fast einem Dutzend Oppositionsparteien vor Journalisten – an sich schon ein Wunder: Immerhin war es den Parteien im Vorfeld der Wahl nicht gelungen, einen gemeinsamen Kandidaten gegen Kabila ins Rennen zu schicken. Einer nach dem anderen unterzeichnet nun eine gemeinsame Erklärung. Darin werden alle Teilergebnisse als „null und nichtig“ abgelehnt. „Die Verkündung der Teilergebnisse ist eine psychologische Vorbereitung der Bevölkerung auf Wahlfälschung“, erklärt Vital Kamerhe, Präsidentschaftskandidat der UNC (Union für die Kongolesische Nation).
„Wir wissen, wer gewonnen hat, nämlich Tshisekedi“, fügt Jacquemin Shabani hinzu, Generalsekretär der Tshisekedi-Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt). Beide verlangen einen afrikanischen Vermittler. „Derzeit stehen sich Kabila mit Kalaschnikow und Tshisekedi mit der Masse des Volkes gegenüber“, so Kamerhe.
Die Kalaschnikow hat die Masse bereits zu spüren bekommen. Im Zusammenhang mit den Wahlen gab es laut Human Rights Watch (HRW) bisher bis zu 18 Tote. Der HRW-Bericht bestätigt, mindestens 12 Menschen seien am vorletzten Samstag von der Präsidentengarde erschossen worden.
Am Sonntag plante die UDPS eine Beerdigungszeremonie für mindestens einen toten Anhänger. Dessen Leiche war in der Nacht in der Parteizentrale aufgebahrt. Dann stürmte gestern früh um fünf Uhr die Polizei das Gebäude: „Sie haben unsere Sicherheitsleute im Schlaf überrascht und die Leiche mitgenommen“, sagt UDPS-Sekretär Remy Massamba. Die Zeremonie musste abgesagt werden.