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10.12.2011 taz Nr. 9672 Ausland 143 Zeilen, SIMONE SCHLINDWEIN S. 08
Niemand ist mehr überrascht, als Präsident Kabila nach mehrfacher Verschiebung zum Wahlsieger ausgerufen wird. Die Opposition hat schon zum Massenprotest gerufen
AUS KINSHASA SIMONE SCHLINDWEIN
Im erschöpften Stakkato betet der Chef von Kongos Wahlkommission CENI die Ergebnisse herunter: Präsident Joseph Kabila gewinnt die Wahl mit 48,95 Prozent, sagt Pasteur Ngoy Mulunda.
Bereits einige Minuten nach der Verlesung am Freitag nachmittag fahren junge Männer in Hochgeschwindigkeit den leeren Boulevard entlang, hupend und fahnenschwingend. In bunter Schminke schwankt Florentine Diwala die Straße entlang. Sie hat offensichtlich schon auf den Sieg angestoßen: „Ich bin sehr froh, dass er gewonnen hat, mit Kabila hat die Entwicklung unseres Landes gewaltige Fortschritte gemacht“, lallt sie und feiert weiter.
Es sind nur wenige, die den Sieg des Präsidenten feiern. Das Stadtzentrum wirkt wie ausgestorben. Der Konvoi der Staatsgäste wird unter Polizeischutz ins Botschafterviertel am Flußufer zurückbegleitet.
Über dem nahen Stadtviertel Limete, wo Oppositionsführer Etienne Tshisekedi lebt, steigen schwarze Rauchsäulen auf. Tshisekedi, Veteran des Kampfes für Demokreatie unter der Mobutu-Diktatur in den 90er Jahren, bekommt von der Wahlkommission nur 32,3 Prozent. Er lehnt die Ergebnisse ab. Im französischen Rundfunk, den ganz Kinshasa hört, nennt er das von der CENI verkündete Wahlergebnis eine „Provokation“ und stellt klar: „Infolgedessen betrachte ich mich ab heute als einen gewählten Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.“
Die Opposition um Tshisekedis Patei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) hatte schon im Vorfeld erklärt, dass sie die Zahlen der Wahlkommission nicht anerkennt. Wieder und wieder deklarierte sie Tshisekedi zum „wahren Sieger“ und rief ihre Anhänger auf, sich für Proteste zu rüsten.
Davon gab es in Limete täglich einen Vorgeschmack. Rund um Tshisekedis Haus standen Polizisten. Hunderte Tshisekedi-Anhänger diskutierten sich in Rage, täglich flogen Tränengaskartuschen und auch mal scharfe Munition. Augenzeugen berichten, dass Leichen sofort im Polizeiwagen abtransportiert werden und verschwinden.
In letzter Sekunde erst schalteten sich die Botschafter sowie die UN-Mission im Kongo (Monusco) ein, um zu vermitteln. Tshisekedi musste davon überzeugt werden, einer Verschiebung der Wahlergebnisse zuzustimmen. CENI-Chef Ngoy Mulunda musste überzeugt werden, die Ergebnisse jedes einzelnen der über 63.000 Wahlzentren landesweit zu veröffentlichen, um die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse wiederherzustellen.
Unter enormem Druck wurde schließlich am Dienstag ein Kompromiss ausgehandelt: Die Opposition akzeptierte eine Verzögerung der Wahlergebnisse um 48 Stunden, auf Donnerstag abend, unter der Bedingung, dass sie pro Wahlbüro aufgeschlüsselt werden. Das verschaffte Kinshasa eine Atempause. Die ersten Geschäfte öffneten wieder, die Straßenkinder kamen aus ihren Verstecken herausgekrochen. Die postierten Polizisten legten sich erschöpft auf ihre Einsatzwagen, bettelten Passanten nach Wasser, Zigaretten und Geld an. Die aufgehetzten Tshisekedi-Anhänger ihrerseits wurden ungeduldig. Minister und Abgeordnete verschanzten sich im luxuriösen, festungsartig abgesicherten Grand Hotel.
Die Wartezeit ließ die Gerüchteküche brodeln: Ruandische Soldaten seien in kongolesischen Uniformen in Kinshasa stationiert. Ugandische Saboteure hätten das Leitungswasser vergiftet. Kabila sei gleich mehrfach ermordet worden. „All dieses Straßengeschwätz geht mir auf die Nerven“, schimpft Adam Shemisi von der Zeitung Le Potentiel.
Kurz vor Ablauf der 48 Stunden spitzte sich die Situation erneut zu. Noch immer fehlten einige Ergebnisse aus den hintersten Winkeln des Riesinreiches. CENI-Vizechef Jacques Djoli, Mitglied der Opposition, drohte mit Rücktritt. Wieder musste die UNO vermitteln. Zwei Stunden vor Fristablauf verschob CENI-Chef Mulunda die Ergebnisse um weitere 24 Stunden. Mit Hubschraubern wurden die letzten Ergebnisse aus dem Urwald eingesammelt. Am Freitagmittag fehlten immer noch fünf Ergebnisprotokolle. Schließlich war es geschafft. Doch der Spuk ist noch nicht vorbei.
Laut Wahlkommission hat Kongos Präsident Joseph Kabila die Wahl vom 28. November mit 48,95 Prozent gewonnen. Es folgen die Oppositionspolitiker Etienne Tshisekedi (32,33 Prozent), Vital Kamerhe (7,74) und Kengo wa Dondo (4,25).
Den Zahlen nach verdankt Kabila seinen Sieg vor allem einem Riesenerfolg in Katanga mit 90 Prozent. Dies zweifelt die Opposition ebenso an wie seine Siege in Nord-Kivu und Süd-Kivu mit jeweils 39 und 45 Prozent, wo eigentlich Kamerhe gute Chancen hatte. Tshisekedi setzte sich in Kasai-Occidental und Kasai-Oriental mit 76 und 71 Prozent durch und auch in Kinshasa mit 64 Prozent. Nach Oppositionsangaben wurden in Kinshasa viele Tshisekedi-Stimmen für ungültig erklärt. D.J.