kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
Das Land
Aktuelle Infos
Service
23.2.2013 taz Nr. 10040 Ausland 144 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 07
Am Sonntag unterschreibt halb Afrika ein regionales Friedensabkommen für Kongo. Ziel: Reformen unter Aufsicht
VON DOMINIC JOHNSON
BERLIN taz | UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Kongos Präsident Joseph Kabila, seine Amtskollegen aus allen Nachbarländern sowie Südafrika – sie alle sollen am Sonntag am Sitz der Afrikanischen Union in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba einen „Rahmen für Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit für die Demokratische Republik Kongo und die Region“ unterzeichnen. In dem ehrgeizigen Text verpflichtet sich Kongos Regierung zur Reform der Sicherheitskräfte und zu Fortschritten bei Dezentralisierung und Demokratisierung. Ein „nationaler Überwachungsmechanismus“ soll dies „begleiten und anleiten“. Weiter gibt es einen „regionalen Überwachungsmechanismus“.
Der Vertrag sollte Ende Januar unterzeichnet werden, musste aber verschoben und überarbeitet werden. Auch jetzt sollen wichtige Unterstützer der Kabila-Regierung Bedenken haben. Kein Wunder, denn der Vertrag spiegelt eine Kontroverse wider: Der Versuch, dem Kongo nach den Kriegswirren 1996 bis 2003 stabile staatliche Strukturen zu geben, ist gescheitert. „Es wird zunehmend anerkannt, dass der gegenwärtige Pfad unhaltbar ist“, steht in der Präambel.
Zwar ist Präsident Kabila zweimal vom Volk gewählt worden, 2006 und 2011. Doch die letzte Wahl ging mit so massiven Manipulationen einher, dass er von weiten Teilen der politischen Klasse nicht mehr anerkannt wird. Kongo steckt in einer tiefen Legimitätskrise. In immer mehr Regionen erhalten bewaffnete Gruppen Auftrieb. Die Zahl der Kriegsvertriebenen liegt bei 2,6 Millionen, Tendenz steigend.
In allen Landesteilen ist eine Abkehr vom Zentralstaat zu erkennen. Milizen in Ostkongos Kivu-Provinzen kämpfen schon seit Jahren für ethnische Selbstbestimmung. Seit einigen Monaten aber gewinnen im ganzen Land Politiker ohne eindeutige parteipolitische Zugehörigkeit, aber mit klarer lokaler Verwurzelung, gegen Kabila-treue Kandidaten Gouverneurswahlen. Jean Bamanisa in Orientale, Jacques Mbadu in Bas-Congo und Alex Kande in Kasai-Occidental setzen ähnlich wie der erfolgreiche Moise Katumbi in der Bergbauprovinz Katanga auf Lokalpatriotismus und ihre eigenen erheblichen finanziellen Mittel, um ihre Provinzen unabhängig vom Zentralstaat zu entwickeln.
Das ist gefährlich für Kabila, und es ist auffällig, dass gerade in diesen Provinzen neue Konflikte ausbrechen. In Orientale ist die wichtigste Fernstraße zwischen der Hauptstadt Kisangani und Uganda seit Monaten umkämpft: Milizenführer Morgan fordert die Armee heraus und besetzt immer wieder Städte.
In Katanga ist die Zahl der Kriegsvertriebenen seit Anfang 2012 von 55.000 auf fast eine halbe Million gestiegen. Kämpfer des Milizenführers Gédéon sowie die Gruppierung Bakata Katanga, die eine Abspaltung der Provinz fordert, schlagen inzwischen sogar im Herzen des Kupfergürtels im Süden zu. Am vergangenen Wochenende verübten Bewaffnete Anschläge nur eine Autostunde außerhalb der Provinzhauptstadt Lubumbashi.
Beobachter mutmaßen, diese Milizen seien von der Zentralregierung gesteuert, um den Provinzgouverneur zu schwächen. Im Kernland der Milizen war November 2011 die Wahlfälschung zugunsten Kabilas am größten. Ihr Führer Gédéon konnte kurz vor der Wahl auf mysteriöse Weise mit Hunderten Anhängern aus der Haft verschwinden. Auch andere Warlords im Kongo schaffen es immer wieder, sich erst verhaften zu lassen und dann plötzlich wieder Krieg zu führen, reicher und stärker als zuvor.
Der Verdacht, dass korrupte Elemente im Zentralstaat bewaffnete Gegner aufbauen, um daraus einen Bedarf für höhere Militärausgaben abzuleiten und diese dann in die eigene Tasche zu stecken, ist im Kongo verbreitet. Er dient als Erklärung für die Niederlagen der Armee gegen die M23-Rebellen im Osten.
Dass Kongos Zentralstaat das Land zu destabilisieren scheint, nährt auch Skepsis gegenüber dem „nationalen Dialog“, den Kabila in seiner Neujahrsansprache 2013 ankündigte und der jetzt die Vereinbarung von Addis Abeba konkretisieren soll. Viele Parteien verlangen, Dialog müsse unter ausländischer Vermittlung stattfinden. Und immer mehr Kräfte sehen die Zukunft des Landes in einer Föderalisierung.